Zur Startseite

Ortsgruppen

5. Landwirtschaftstag – Landwirtschaft im Klimawandel

Knapp 100 Teilnehmer*innen waren der Einladung zum fünften Landwirtschaftstag in Wartaweil am 9. März 2024 gefolgt. In diesem Jahr diskutierten die BN-Kreisgruppen Starnberg und Landsberg mit Landwirten, Umweltexperten und Naturschützern die Frage „Wie kann die Anpassung an den Klimawandel gelingen?“. Mitveranstalter der Vortragsreihe waren das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Weilheim in Obb., der Bayerische Bauernverband (BBV), die Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft (AbL) und der Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM).

 

 

 

 

Im Anschluss an die Begrüßung durch den BN-Agrarreferenten Harald Ulmer gratulierte Sabine Kahle-Sander, Regierungsvizepräsidentin der Regierung von Oberbayern, den Veranstaltern zum fünften Geburtstag des Landwirtschaftstags. Sie lobte die Form dieses Dialogs, der die Möglichkeit biete, Verständnis zu schaffen und gute Lösungen zu finden.

Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft

Als erster Referent sprach Dr. Florian Zabel von der LMU München, der einen allgemeinen Überblick über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft gab und mögliche Anpassungsmaßnahmen thematisierte. Zabel warnte, dass in vielen Bereichen die planetaren Grenzen bereits überschritten seien. Mit simulierten Computermodellen zeigt seine Arbeitsgruppe, wie sich das Wachstum von Weizen, Soja, Reis und Mais bei veränderten Umweltbedingungen wie Temperatur, Niederschläge, Bodenbeschaffenheit, CO2-Konzentration etc. in verschiedenen Anbaugebieten der Welt künftig entwickeln wird. Dabei wurde auch deutlich, wie sich die einzelnen Parameter gegenseitig beeinflussen. Dass die Prognosen realitätsnah sind, konnte durch Vergleiche früherer Modelle mit der tatsächlichen Entwicklung belegt werden.

Im Verlauf der letzten 100 Jahre gab es immer wieder Klimaschwankungen. Jetzt müssen wir uns allerdings sehr schnell an die Klimarealität anpassen, denn die Berechnungen deuten darauf hin, dass wir das System der Klimastabilität je nach den äußeren Bedingungen zwischen 2030 und 2051 endgültig verlassen werden.

Deshalb sind dringend Anpassungsmöglichkeiten erforderlich. Zabel nannte hier beispielsweise die Möglichkeit, Aussaattermine nach vorne zu verlegen oder Sorten in Deutschland anzubauen, die bislang in wärmeren Regionen wachsen. Allerdings bestehe dann die Gefahr von Spätfrösten. Eine wichtige Rolle bei den Emissionen spielt Zabel zufolge der weltweite Fleischkonsum, der gesenkt werden müsse. Zudem müsse der Kohlenstoffanteil der Böden erhöht und Feuchtgebiete dürften nicht landwirtschaftlich genutzt werden. Unter anderem seien Agroforst und Agri-Photovoltaik weitere Methoden, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Insgesamt plädierte Zabel dafür, das Beste aus allen Möglichkeiten miteinander zu kombinieren, damit wir die Herausforderungen meistern können. „Wir müssen an allen Stellschrauben drehen, die uns zur Verfügung stehen“, so Zabel.

Grünlanderhalt, Biodiversität und Klimaschutz durch Rindfleischverzehr

Welchen Einfluss das Essverhalten der Menschen auf die landwirtschaftlichen Flächen hat, erläuterte anschließend der Öko-Agraringenieur und Demeter-Berater Ulrich Mück, München. Er erörterte die Frage, welches Tier das für den Menschen nicht essbare Grünland, aus dem der „Warenkorb Erde“ überwiegend bestehe, am effektivsten in Lebensmittel umwandle. In seiner Kalkulation kam Mück zu dem Ergebnis, dass im Gegensatz zu Schwein, Legehenne oder Masthuhn, aber auch zu Schaf und Ziege, allein das Rind mehr Lebensmittel erzeugt, als es an Futter benötigt. Sein Fazit: „Nur Rinder verwandeln Grünland effizient in Fleisch und Milch“. Zudem schütze das Grünland das Klima und Rinder seien die Leittiere des Humusaufbaus und der Humuserhaltung. Seit 1960 seien 30% des Grünlands umgeackert worden. Da Grünland weltweit aber mehr als fünfmal soviel Kohlenstoff speichere als Acker, habe eine Rückumwandlung von Acker in Grünland u.a. Klimapotenzial. „Das Dreamteam der Evolution“, so Mück, „sind Grünland und Rinder.“ Zudem gelten sie durch selektives Fressen und ihre Hinterlassenschaften in Form von Fladen als Leittiere der Biodiversität. Untersuchungen zeigen, dass im/am und vom Kuhfladen 267 verschiedene Insektenarten leben.

Mück zufolge ist der Rindfleischverzehr in einer Bevölkerung mit zunehmend vegetarischer Lebensweise allerdings zu gering. Um eine ökologische Rinderhaltung zu ermöglichen, müssten pro Liter Ökomilch 20-30 g Rindfleisch verzehrt werden. So lautet das Fazit von Mück: „Damit die Kälber nicht in den internationalen Viehhandel gelangen, braucht optimale Tierwohlhaltung mehr Rindfleischverzehr.“ „Locavore“ nannte er die ideale Ernährungsweise, was bedeutet: „Ich esse insbesondere das, was beim mir wächst/lebt.“

Die Originalpräsentation von Ulrich Mück finden Sie hier ...

Grünlandnutzung im Milchviehbetrieb

Von der praktischen Seite beleuchteten Johannes Wernseher, Landwirtschaftsmeister aus Dießen und Maria Leutenbauer, Ökofachschule Weilheim die Grünlandnutzung. Der Biolandhof von Wernseher ist ein reiner Grünlandbetrieb, bei dem die Kühe von etwa Mitte April bis November auf der Weide stehen. Zu ihrem eiweißreichen Grünfutter erhalten sie je nach Saison 3 kg Milchleistungsfutter. Die Wiesen werden drei- bis viermal gemäht. Ziel des Betriebs ist eine Milchleistung von 5000-7000 l pro Jahr bei guter Tierhaltung.

Maria Leutenbauer diskutierte die Auswirkungen von späten oder selteneren Grünlandschnitten. Sie verwies auf die Problematik der sinkenden Eiweißkonzentration bei höherer Ertragsmenge eines älteren Bestands. Die Folge des eiweiß- und energiearmen Futters sei dann eine schlechte Milchleistung der Kuh und möglicherweise sogar deren Erkrankung. Um eine hohe Artenvielfalt in der Fläche zu erreichen, plädierte Leutenbauer für eine möglichst hohe Vielfalt an Betrieben.

Agroforst – Landwirtschaft mit Zukunft?

Nach der Mittagspause, erörterte Michaela Primbs von der Hochschule Weihenstephan – Triesdorf die Chancen und Probleme von Agroforstkulturen. Mittlerweile, so die Referentin, werde Agroforst in allen Bereichen positiv bewertet, sei im Vergleich zu technischen Maßnahmen sofort umsetzbar und habe eine gute Akzeptanz. Dabei werden zwei verschiedene Agroforstsysteme unterschieden: Bäume + Ackerland (silvoarable Systeme) und Bäume + Weide mit Tierhaltung (silvopastorale Systeme). In Deutschland sind aktuell über 160 Agroforstsysteme gelistet. Als Agroforstsysteme gelten schnell wachsende Gehölze auf Äckern, Hühnerwälder, Wertholz- oder Frucht-Agroforstsysteme, Streuobstwiesen, Tiere in Erwerbsobstanlagen und Futterlaubhecken. 

Folgende Vorteile von Agroforstsystemen konnten Primbs zufolge bislang nachgewiesen werden: Reduktion von Oberflächenabfluss und Erosion, Wasser- und Nährstoffrückhalt, Windschutz, positiver Einfluss auf Verdunstung, Luftfeuchtigkeit und Bodenfeuchte, Beschattung in Gehölzstreifen, Temperaturen tagsüber niedriger und nachts höher, insgesamt keine Ertragsminderung, positiver Einfluss auf die Biodiversität, Klimaschutz durch Kohlenstoff speichernde Bäume sowie die Nutzungsmöglichkeit der Agroforstprodukte (z.B. Holzhackschnitzel, Eier aus dem Hühnerwald, Futterlaub usw.)

Der Appell von Michaela Primbs an die Landwirte: „Agroforst jetzt!“

Die Originalpräsentation von Michaela Primbs finden Sie hier …

6 Jahre Agroforst – Erfahrungen aus der Praxis

Über die praktischen Erfahrungen seiner jahrelangen Agroforstbewirtschaftung berichtete der Landwirt Matthias Maile aus Greding. Zunehmende Hitze- und Trockenperioden sowie Starkregenereignissen ließen ihn nach Anpassungsmöglichkeiten für den im Jahr 2014 übernommenen konventionellen Betriebs suchen. Seit 2020 verfolgt er nun das Prinzip „Agroforstwirtschaft“ mit zunehmender Intensität. Maile berichtete praxisnah nicht nur über seine Erfahrungen im Verlauf und die Erfolge der Umstellung, sondern auch über in Anspruch genommene Fördermöglichkeiten sowie über Probleme und Hürden einer solchen Bewirtschaftung.

Die Originalpräsentation von Matthias Maile finden Sie hier …

Fördermöglichkeiten Agroforst

Julian Schäfer, Wildlebensraumberater AELF Weilheim i. Obb. informierte über zahlreiche Fördermöglichkeiten im Zusammenhang mit Agroforstsystemen. Um dem Agroforst Aufschwung zu verleihen, gibt es neue Fördermöglichkeiten. 2023 sei das Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) I84 zur „Einrichtung von Agroforstsystemen“ in Kraft getreten, so Schäfer. Demnach wird für die Einrichtung eines Agroforstsystems ein Fördersatz von maximal 65% der zuwendungsfähigen Nettokosten und für deren Beibehaltung nach der Ökoregelung(ÖR)3 eine jährliche Prämie von 200 Euro/ha gewährt. Weitere Förderungen für Struktur- und Landschaftselemente sowie die Anlage von Streuobstwiesen und deren Pflege sind im Rahmen von Sonderbereichen möglich.

Die Originalpräsentation von Julian Schäfer finden Sie hier …

Ernährungssicherheit

Zum Abschluss der informativen Vortragsreihe setzte sich der Agrarreferent des BN Harald Ulmer mit dem Thema „Ernährungssicherheit“ auseinander. Er wies darauf hin, dass die Getreideernten seit 2009 und die Kuhmilchmengen seit 2012 bis heute relativ stabil geblieben sind. Die Preissteigerungen seien allein globalen Verteilungskämpfen und der Profitgier von Spekulanten geschuldet. Noch immer seien die EU mit 17,5% und China mit 17,6% die weltweit größten Weizenproduzenten. „Ursache für globale Ernährungsunsicherheit und Welthunger sind nicht fehlende Mengen an Nahrungsmittel, sondern Krieg, Spekulation, autoritäre Regime und ungerechte Verteilung“, so Ulmer. Problematisch sei auch, dass weltweit 38% der Ackerflächen für Futtermittel genutzt und ein Drittel der weltweiten Nahrungsmittel weggeworfen würden. Hauptprofiteure der Krisen im globalen Markt der Spekulationen seien die Hersteller von Düngemitteln, die im Jahr 2022 ihren Gewinn verzehnfacht hätten.

Das Fazit von Ulmer lautet: „Wir sollten echte regionale Lebensmittelkreisläufe nutzen, regionale Handlungsstrukturen wieder aufbauen und die Nahversorgung zusammenbringen.“

Die Originalpräsentation von Harald Ulmer finden Sie hier ...

Reger Austausch bei Kaffee und Kuchen

Zahlreiche Gäste nutzten die Gelegenheit zur Diskussion noch einmal dem Ende der Vortragsreihe bei Kaffee und Kuchen. Dass es höchste Zeit ist, auch in der Landwirtschaft umzudenken und die nötigen Anpassungen vorzunehmen war den Teilnehmer*innen nach diesem Tag sicher noch viel deutlicher vor Augen.

Herzlichen Dank an die Referenten für die zur Verfügung gestellten online-Dateien!

Einladung und Programm weiter...

Text und Fotos im Beitrag: Christine Starostzik