Schlauch-Enzian (Gentiana utriculosa)
Gründe für Auswahl: Weitgehend auf die Mittleren Bayerischen Alpen, das westliche Ammer-Loisach-Vorland, auf das Ostallgäuer Vorland, auf die Alluvionen des Lechs und der Isar, auf den Alpenraum und auf das südliche und mittlere Alpenvorland beschränkte (s. SCHÖNFELDER & BRESINSKY 1990: Karten-Nr. 1273) und dort vielfach nur zerstreut auftretende Enzianart. Anspruchsvolle Pflanzenart hinsichtlich der hydrologischen Qualität der Wuchsorte.
Rote-Liste Einstufung Bayern: Stark gefährdet (Grad 2).
Rote-Liste Voralpines Hügel- und Moorland: Stark gefährdet (Grad 2).
Standort: An seinen Wuchsorten im Lkr. Starnberg Lückenbesiedler in stark quelligen, Kopfriedbeständen über Kalktuffen, Quellkreiden, Quellkalk-Antorfe und über Quellkalk-Torfen. Selbst auf nur gelegentliche Überstauung reagiert der Schlauch-Enzian empfindlich: In den Seeried-Kopfried-Quellmooren etwa entlang des südlichen Starnberger Sees kommt die Art nach eigenen Beobachtungen nicht vor, während sie in den hydrologisch unversehrten Hangquellmoorkomplexen unmittelbar außerhalb des hydrologischen Einflussbereiches des Starnberger Sees gedeiht.
Vergesellschaftung: Im Lkr. Starnberg ist der Schlauch-Enzian heute weitgehend auf unentwässerte Kopfried-Bestände beschränkt, deren Matrix weit überwiegend vom Rostroten Kopfried (Schoenus ferrugineus), bisweilen auch vom Schwarzen Kopfried (Schoenus nigricans) gebildet wird.
Artenschutzbedeutsame Arten in unmittelbarer Vergesellschaftung mit Gentiana utriculosa: Seltenere Quellmoorarten wie Dactylorhiza traunsteineri, Drosera longifolia (s. dasselbe Kapitel!), Eleocharis quinqueflora, Schoenus nigricans, auch Ophrys insectifera und nach Erhebungen vom 28.09.2017 erstaunlicherweise auch Spiranthes spiralis (nicht S. aestivalis!).
Maßnahmen: Die Wuchsorte des Schlauch-Enzians müssen unbedingt möglichst alljährlich mit Gerät mit geringer Druckauflast gemäht werden, da diese Enzianart in hohem Maße bracheempfindlich ist und zum erfolgreichen Auskeimen auf ein ausreichendes Lückenangebot in der Grasmatrix angewiesen ist. Regelmäßige Mahd (mindestens drei Schnitte in fünf Jahren) ab dem 1.8., besser ab dem 1.9. vereinbaren. An allen fünf derzeit noch aktuellen Wuchsorten sollte dieser Maßgabe Rechnung getragen werden.
Untersuchte Wuchsorte im Gebiet
Nachweise ASK-Erfassungen des Jahres 2004 und AHP-Erfassungen des Jahres 2007
Nachweise des Schlauch-Enzians (Gentiana utriculosa) im Rahmen der ASK-Erfassungen des Jahres 2004 liegen an fünf Standorten vor. Im Jahr 2008 (s. QUINGER 2008) wurde der Wuchsort 2 im Zusammenhang mit einem AHP-Auftrag des Bayerischen Landesamt f. Umwelt erneut untersucht:
Der mit weitem Abstand bedeutendste Bestand dieses seltenen Enzians wurde in dem Jahr 2004 am Standort 2 beobachtet. Bei der Wiederholungskartierung im Jahr 2008 ergab sich in diesem ND eine insgesamt sehr niedrigere Anzahl blühender Individuen.
Die Gesamtzahl blühender Individuen belief sich am Zähltag, den 1.6.2008 auf 61 blühende Individuen. Die Anzahl verteilte sich auf die sechs unterschiedenen Teil-Wuchsorte. Die sehr niedrigen Bestandszahlen des Jahres 2008 wurden seinerzeit auf das sehr trockene Frühjahr 2007 zurückgeführt, das keine ausreichende Entwicklung des Schlauch-Enzians zuließ. Es ergaben sich seinerzeit keine Indizien für besondere Gefährdungen und Beeinträchtigungen des Wuchsgebiets, welche für eventuelle Rückgänge dieses Enzians verantwortlich gemacht werden könnte.
Wuchsort 1: Kalk-Hangquellmoor
Zählpunkte:: 4. Anzahl Individuen: 21. ASK.-Nr.: BN-GL_25 TK-Nr.: 8033/3 GK-RW: 4441502 GK-HW:
Derzeitiger Bestand: Insgesamt mindestens 21 Individuen an vier Zählpunkten. Die Kopfried-Bestände des Gebiets weisen derzeit infolge alljährlicher Mahd eine für den Schlauch-Enzian günstige, lückige, streufilzdecken-arme Wuchsstruktur auf.
Artenschutzbedeutsame Begleitpflanzen am Wuchsort: Dactylorhiza traunsteineri. Etwas abgesetzt: Swertia perennis.
Spezifische Gefährdungen und Beeinträchtigungen am Wuchsort: Um optimale Lebensbedingungen für den Schlauch-Enzian zu bieten, wohl etwas zu trocken.
Spezifische Maßnahmen: Regelmäßige Mahd (mind. drei Schnitte in fünf Jahren) ab dem 1.8. oder dem 1.9. vereinbaren. Irgendwelche Eingriffe in den Wasserhaushalt sind unbedingt zu unterlassen, da sie empfindlichen Arten wie dem Schlauch-Enzian die Existenzgrundlage entziehen würden.
Wuchsort 2:
Zählpunkte: 1. Anzahl Individuen: 4. ASK.-Nr.: BN-GL_26 TK-Nr.: 8033/4 GK-RW: 4446469 GK-HW
Derzeitiger Bestand: Von allen untersuchten Wuchsorten des Schlauch-Enzians derjenige mit der negativsten Bestandsentwicklung dieser Enzian-Art. An einem Zählpunkt, der sich in dem Teil-Wuchsort 6 des Jahres 2008 befindet, wurden lediglich vier Individuen gefunden.
Artenschutzbedeutsame Begleitpflanzen am Wuchsort: Etwas abgesetzt: Orchis morio und erstaunlicherweise Spiranthes spiralis (beobachtet am 28.09.2017 zusammen mit ALBERT LANG und ULRICH SCHWAB). .
Spezifische Gefährdungen und Beeinträchtigungen am Wuchsort: Die Ursachen für den Bestandszusammenbruch des Schlauchenzian-Bestands an diesem Standort treten nicht klar zutage. Um optimale Lebensbedingungen für den Schlauch-Enzian zu bieten, war es zum Aufnahmezeitpunkt deutlich zu trocken.
Spezifische Maßnahmen: Regelmäßige Mahd (mindestens drei Schnitte in fünf Jahren) ab dem 1.8. oder dem 1.9. vereinbaren. Irgendwelche Eingriffe in den Wasserhaushalt sind unbedingt zu unterlassen, da sie empfindlichen Arten wie dem Schlauch-Enzian die Existenzgrundlage entziehen würden. Ehemalige Gräben innerhalb des NDs sollten angestaut werden, um den Wasserhaushalt des Gebiets zu stabilisieren.
Wuchsort 3:
Zählpunkte: 4. Anzahl Individuen: 11. ASK.-Nr.: BN-GL_27 TK-Nr.: 8033/3 GK-RW: 4439797 GK-HW
Derzeitiger Bestand: Insgesamt 11 blühende Individuen an vier Zählpunkten, die alle deutlich voneinander abgesetzt liegen. Die Kopfried-Bestände an der Westseite weisen derzeit infolge alljährlicher Mahd eine für den Schlauch-Enzian günstige, lückige, streufilzdecken-arme Wuchsstruktur auf, sind aber deutlich zu trocken.
Artenschutzbedeutsame Begleitpflanzen am Wuchsort:Schoenus nigricans.
Spezifische Gefährdungen und Beeinträchtigungen am Wuchsort: Um optimale Lebensbedingungen für den Schlauch-Enzian zu bieten, deutlich zu trocken.
Spezifische Maßnahmen: Regelmäßige Mahd (mind. drei Schnitte in fünf Jahren) ab dem 1.8. oder dem 1.9. vereinbaren. Irgendwelche Eingriffe in den Wasserhaushalt sind unbedingt zu unterlassen, da sie empfindlichen Arten wie dem Schlauch-Enzian die Existenzgrundlage entziehen würden. Eventuell die Sohle des Bachs etwas erhöhen, um die Drainwirkung auf die benachbarten Westhänge zu reduzieren.
Wuchsort 4:
Zählpunkte: 14. Anzahl Individuen: 101. TK-Nr.: 8033/3 GK-RW: 4439822 GK-HW: 5312082
Derzeitiger Bestand: Insgesamt 101 blühende Individuen an 14 Zählpunkten, die großenteils nahe beieinanderliegen, sodass Bestäubung zwischen den Individuen ohne Schwierigkeiten möglich sein sollte. Die Kopfried-Bestände an der Süd(west)seite weisen derzeit infolge alljährlicher Mahd eine für den Schlauch-Enzian günstige, lückige, streufilzdecken-arme Wuchsstruktur auf. Hinsichtlich des Wasserhaushalts ist der Wuchsort an der Südseite günstiger zu beurteilen als der Wuchsort an der Westseite.
Artenschutzbedeutsame Begleitpflanzen am Wuchsort: Dactylorhiza traunsteineri, Gladiolus palustris.
Spezifische Gefährdungen und Beeinträchtigungen am Wuchsort: Standörtlich und von Vegetationsstruktur her gesehen liegen derzeit für den Schlauch-Enzian günstige Lebensbedingungen vor.
Spezifische Maßnahmen: Regelmäßige Mahd (mind. drei Schnitte in fünf Jahren) ab dem 1.8. oder dem 1.9. vereinbaren. Irgendwelche Eingriffe in den Wasserhaushalt sind unbedingt zu unterlassen, da sie empfindlichen Arten wie dem Schlauch-Enzian die Existenzgrundlage entziehen würden. Eventuell die Sohle des Bachs etwas erhöhen, um die Drainwirkung auf die benachbarten Süd- und Westhängen zu reduzieren.
Wuchsort 5: Kalk-Hangquellmoor
Zählpunkte: 23. Anzahl Individuen: 91. ASK.-Nr.: BN-GL_29 TK-Nr.: 8033/4 GK-RW: 4442555 GK-HW
Derzeitiger Bestand: Insgesamt 91 blühende Individuen an 23 Zählpunkten, die großenteils nahe beieinanderliegen, sodass Bestäubung zwischen den Individuen ohne Schwierigkeiten möglich sein sollte. Die Kopfried-Bestände an der Südseite weisen derzeit infolge alljährlicher Mahd eine für den Schlauch-Enzian günstige, lückige, streufilzdecken-arme Wuchsstruktur auf. Der Wasserhaushalt des Wuchsort an der Südseite ist anscheinend für den Schlauch-Enzian noch günstig genug.
Artenschutz-bedeutsame Begleitpflanzen in der Nähe des Wuchsorts: Orchis ustulata subsp. ustulata.
Spezifische Gefährdungen und Beeinträchtigungen am Wuchsort: Standörtlich und von der Vegetationsstruktur her gesehen liegen derzeit für den Schlauch-Enzian an der Südseite noch günstige Lebensbedingungen vor. Wesentliche Gefährdungen und Beeinträchtigungen sind derzeit im engeren Wuchsortbereich des Schlauch-Enzians nicht zu erkennen.
Die untere Hälfte der Hangquellmoore ist durch einen hohen Bestandsanteil der Stumpfblütigen Sumpfbinse gekennzeichnet, die eine für Gentiana utriculosa nur wenig zur Besiedlung geeignete Matrixstruktur ausbildet. Bei Ausbreitung und Verdichtung der Knotenbinsen-Bestände würde die Wuchsorteignung des Quellhanges deutliche Einbußen erleiden. Durch Mahd bereits im August lässt sich Juncus subnodulosus zurückdrängen.
Spezifische Maßnahmen: Für die Quellhänge mit dem Wuchsort des Schlauch-Enzians sind folgende Maßnahmen zu empfehlen:
Alljährliche Mahd des Quellhanges. Es empfiehlt sich eine Mahdvereinbarung mit Schnitterlaubnis ab dem 01. August, um der Ausbreitung der Stumpfblütigen Sumpfbinse etwas entgegenzuwirken.
Im südöstlichen Gebietsabschnitt des Quellhangs herrschen frische Halbtrockenrasen vor. Diese könnten ebenfalls bereits ab dem 01.08. gemäht werden.
Unterlassung jedweder Eingriffe in den Wasserhaushalt des gesamten Quellhanges. Gezielte trophische Pufferungen sind derzeit offenbar nicht notwendig.
Generelle Beurteilung der Ergebnisse zur Art
Ganz generell offenbart sich bei der Bestandsentwicklung des Schlauch-Enzians an den Wuchsorten des Lkr. Starnberg ein deutlicher Negativtrend, obwohl die Wuchsorte der Art im Lkr. Starnberg verhältnismäßig gut und sachgerecht gepflegt werden. Als bestürzend muss der Bedeutungsrückgang des ND 2 für den Schlauch-Enzian gewertet werden. Einen deutlichen Negativtrend verzeichnet auch der Standort 3, bei dem ebenso wie bei bei Standort 2 als ungünstigere Veränderung die zunehmende Trockenheit zu verzeichnen ist. Seit dem Jahr 2008 lässt auch der Wuchsort 5 einen Negativtrend erkennen.
Positive Ergebnisse sind für Standort 1 sowie 4 zu verzeichnen, wobei besonders das Ergebnis für das letztgenannte Gebiet als angenehme Überraschung zu werten ist.
Keine verursachende Rolle bei den Rückgängen seit dem Jahr 2004 ist dem Brachfallen zuzuschreiben. Sämtliche Wuchsorte werden regelmäßig und sachgerecht gemäht. Als wichtigster Negativfaktor sind schleichende Austrocknungen zu vermuten, von welcher besonders das ND 2 betroffen ist. Insgesamt muss der Schlauch-Enzian wegen der deutlichen Verluste seit den frühen 2000er-Jahren für den Lkr. Starnberg weiterhin als „stark bedroht (Gefährdet Grad 2)“ mit deutlicher Tendenz zu „Vom Aussterben bedroht (Gefährdet Grad 1)“ gewertet werden.
Bearbeiteter Auszug aus: B. Quinger "Erhaltungszustand einiger hoch bedrohter und einiger landkreis-bedeutsamer Gefäßpflanzen im Lkr.STA" 2017; Seite 99 ff
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