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Natur vor der Haustür

Hartmanns Segge (Carex hartmanii)

Gründe für Auswahl: In Bayern sehr zerstreut auftretende Niedermoor-Segge, die auch im Alpenvorland sehr selten ist (s. SCHÖNFELDER & BRESINSKY 1990: Karten-Nr. 2430). Gehört nach den RL zu den als „stark gefährdet“ eingestuften Seggen-Arten. Für die Erhaltung von Carex hartmanii ergibt sich eine „große“ internationale Erhaltungsverantwortung Deutschlands (= Stufe 4, vgl. WELK2002: 90). 

Rote-Liste Einstufung Bayern: Stark gefährdet (Grad 2). 

Rote-Liste Voralpines Hügel- und Moorland: Stark gefährdet (Grad 2).

Standort: Die Standortansprüche der Hartmanns Segge lassen sich weniger scharf eingrenzen als diejenigen der nah verwandten Buxbaums Segge. Die Hartmanns Segge gedeiht über mineralischen Nassböden, Anmoor- bis hin zu mineralstoffreichen Niedermooren und ist an ein basenreiches, allenfalls schwach saures Milieu gebunden; sie ist oft auf vergleichsweise kalkarmen Böden anzutreffen. Zumeist gedeiht die Hartman’s Segge an weniger nassen Stellen als die nah verwandte ebenfalls besonders artenschutzbedeutsame Buxbaums Segge; sie besiedelt gewissermaßen das Überlappungsfeld zwischen Großseggenriedern (Magnocaricion), Kleinseggenriedern (Caricion davallianae und C. fuscae) und Molinion. Carex hartmanii ist nicht in einer vergleichbar engen Weise wie die Buxbaums Segge an Auenmoore und Auenstreuwiesen in der Umgebung von Seen und entlang von Flussläufen gebunden. Sie bevorzugt deutlich Standorte, die von nur flach unter der Bodenoberfläche streichenden (nicht stagnierenden!) Grundwasserströmen beeinflusst werden, wie dies zum Beispiel für die beiden untersuchten Wuchsorte zutrifft.

Vergesellschaftung: Im Alpenvorland sind als Wuchsorte der Hartmanns Segge Seggenrieder bekannt, die vom Magnocaricion zum Caricion davallianae überleiten. Im Südost-Schwarzwald und im Schwäbisch-Fränkischen Wald lässt sich Carex hartmanii hingegen in kalkarmen Kleinseggenriedern beobachten (vgl. SEBALD 1998: 226 ff.), die bereits zu den Braunseggen-Sümpfen (Caricion fuscae) tendieren.

Artenschutzbedeutsame Arten in unmittelbarer Vergesellschaftung mit Carex hartmanii: Unmittelbar in Wuchsortnähe der Hartmanns Segge kommen an beiden untersuchten Standorten keine weiteren besonders artenschutzbedeutsamen Pflanzenarten vor.

Untersuchte Wuchsorte im Gebiet

Nachweise ASK-Erfassungen: im Lkr. STA ist das Vorkommen an Standort 1 seit langem bekannt. 

Das Vorkommen am Standort 2 wurde dem Bearbeiter dieser Studie erst in den späten 2000er-Jahren bekannt (Mitteilung von Prof. Dr. E. Ott) . Ältere Vergleichsdaten zu diesem Wuchsort liegen daher nicht vor.

Wuchsort 1: Zählpunkte: 14. Anzahl fruchtende Triebe: 86. ASK.-Nr.: BN-GL_12 TK-Nr.: 7932/4 GK-RW: 4436759 GK-HW:

Derzeitiger Bestand: 86 Triebe an 14 Zählpunkten. Dieses Ergebnis liegt sehr viel niedriger als die Zählungen in den 2000er-Jahren: Dem AHP-Bericht des Jahres ist folgende Beschreibung entnommen (s. QUINGER 2008: 14): „(Zitat-Beginn) Im Jahr 2000 hinterließ der Wuchsort der Hartmanns Segge im Unterschied zu Beobachtungen in den Jahren 1990, 1994, 1996 und 1998 einen stark geschwächten Eindruck, da er im Frühsommer etwa 10-15 cm hoch überstaut war. Diese Überstauung hatte offenbar natürliche Ursachen und war nicht durch gezielte Einstaumaßnahmen verursacht worden. Im Jahr 2000 wurden nur etwa 100 fruktifizierende Triebe vorgefunden, in den Vorjahren waren es mindestens 800 bis 1000 Triebe. Eine erneute Kontrolle im Jahr 2001 ergab, dass sich die Bodenwasserstände wieder auf ein normales Maß zurückentwickelt hatten. Der Bestand der Hartmanns Segge präsentierte sich wieder in der zuvor üblichen Vitalität. Es wurden über 1.500 fruktifizierende Triebe gezählt. Der Bestand präsentierte sich dem Verfasser etwa in dem Zustand, der ihm aus früheren Jahren bekannt ist. Von einem Niedergang des Bestandes der Hartmanns Segge (an Standort 1), wie er im Vorjahr noch befürchtet wurde (vgl. QUINGER 2000: 54), muss nach den aktuellen Beobachtungen des Jahres 2001 nicht mehr ausgegangen werden. Im Jahr 2007 wurden nur noch etwa 700 bis 750 fruktifizierende Halme vorgefunden. Da sich an dem Wuchsort inzwischen einige Hochstauden und auch das Land-Reitgras ausgebreitet haben und das Wuchsgebiet der Hartmanns Segge eingeengt wurde, deutet einiges darauf hin, dass sich seit dem Jahr 2000 tatsächlich ein deutlicher Rückgang ereignet hat (Zitat-Ende)“.

Vom Jahr 2007 bis 2017 hat sich der seinerzeit erkennbare Rückgang dramatisch fortgesetzt: Von 700-750 fruktifizierenden Pflanzen blieben bis 2018 lediglich 86 fruktifizierende Triebe übrig. Weitere artenschutzbedeutsame Pflanzenarten am Wuchsort: Iris sibirica.

Spezifische Gefährdungen und Beeinträchtigungen am Wuchsort: Der Wuchsort ist erheblich ruderalisiert, was wahrscheinlich auf Stoffeinträge im Zusammenhang mit umfassenden Forstarbeiten in dem Wald unmittelbar westlich des Wuchsorts zurückgeht. In dem ruderalisierten Wuchsbereich der Hartmanns Segge, in welchem Großseggen wie die Steif-Segge (Carex elata) und die Blasen-Segge (Carex vesicaria) dominieren, sind Störarten wie Flatter-Binse (Juncus effusus), Behaartes Weidenröschen (Epilobium hirsutum), Kohldistel (Cirsium oleraceum) und sogar die nitrophytische Brennnessel (Urtica dioica) eingestreut.

Spezifische Maßnahmen:
1* Einrichtung einer Pufferzone, um Stoffeinflüsse von den östlich angrenzenden Grünlandflächen zu unterbinden;

2* Entfernung der Forstabfälle;

3* Extensivierung des Grünlandes;

4* das Steifseggenried, in dem Carex hartmanii vorkommt, ist grundsätzlich nur schwach pflegeabhängig. Es muss jedoch in den nächsten fünf bis zehn Jahren jedes Jahr um Ende Juli – Anfang August gemäht werden, um die Brachegräser wie Calamagrostis epigejos, Deschampsia cespitosa und Agrostis gigantea sowie Hochstauden wie Lysimachia vulgaris, die sich stark ausgebreitet haben, wiederum zurückzudrängen. Dasselbe gilt für den sich ausbreitenden Neophyten Indisches Springkraut (Impatiens glandulifera). Nur bei Zurückdrängung der genannten Störarten kann sich das potenzielle Wuchsortangebot für die Hartmanns Segge wieder etwa ausdehnen.

Wuchsort 2: Entdecker des Fundorts: Prof. Dr. Ernst Ott, Hechendorf.
Zählpunkte: 29. Anzahl fruchtende Triebe: 1148. ASK.-Nr.: BN-GL_13 TK-Nr.: 7932/4 GK-RW: 4436782 GK-HW:

Derzeitiger Bestand: Bestand mit mindestens 1148 fruktifizierenden Trieben an 29 Zählpunkten erhoben. Im Raum zwischen Ammersee- und Starnberger See handelt es sich um den mit Abstand bedeutsamsten Bestand dieser Seggenart. Ein vergleichbar großes nächst benachbartes Vorkommenden Hartmanns Segge existiert etwa neun Kilometer entfernt, ebenfalls noch im Naturraum Ammer-Loisach-Vorland gelegen. Das Vorkommen der Hartmanns Segge ist in einer nassen lehmigen Pfeifengraswiese angesiedelt, die oberflächlich stellenweise entkalkt ist, worauf etwa die kalkmeidende Bleiche Segge (Carex pallescens) hindeutet. Bestandsbildende Gräser sind das Pfeifengrasgras (Molinia caerulea), die Hirse-Segge (Carex panicea), stellenweise erlangt auch die Hartmanns Segge Deckungswerte von etwa 10%. Es handelt sich um eine mineralstoffreiche Pfeifengraswiese, was bei einer lehmigen Unterlage auch erwartet werden kann. Als Bodenbildung der flachgeneigten Hängen fungieren Hang-Gleye aus lehmigen Moränenmaterial, die in den Hangmulden in Nass- und Anmoor-Gleye überwechseln. Dieser lehmigen Pfeifengraswiese gehören etliche mesotraphente Arten der Feuchtwiesen (Calthion) und Artenreichen Mähwiesen (feuchtes Arrhenatherion) wie Großer Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis), Bach-Nelkenwurz (Geum rivale), Berg-Frauenmantel (Alchemilla monticola agg.) und Bach-Kratzdistel (Cirsium rivulare) sowie das Bäumchenmoos (Climacium dendroides) an. An Streuwiesen-Arten kommen die ebenfalls als vergleichsweise mesotraphent einzustufenden Arten Heilziest (Betonica officinalis) und Sibirische Schwertlilie im Wuchsortbereich der Hartmanns Segge vor.

Weitere Artenschutz-bedeutsame Pflanzenarten am Wuchsort: Als einzige weitere artenschutzbedeutsame Pflanzenart außer der Hartmanns Segge ist das Vorkommen der Sibirischen Schwertlilie (Iris sibirica) zu erwähnen.

Spezifische Gefährdungen und Beeinträchtigungen am Wuchsort: Die Fläche enthält einige Grünlandarten, was auf frühere Düngungseinflüsse hindeutet. Erkennbare akute auf den Bestand der Hartmanns Segge sich negativ auswirkende Gefährdungen des Wuchsorts liegen jedoch anscheinend nicht vor. Der Wuchsort befindet sich insgesamt in einem guten Erhaltungszustand.

Spezifische Maßnahmen: Regelmäßige Mahd (mindestens drei Schnitte in fünf Jahren) ab dem 1.8. oder dem 1.9. nach dem VNP/EA vereinbaren. Irgendwelche Eingriffe in den Wasserhaushalt sind unbedingt zu unterlassen, da sie der Hartmanns Segge die Existenzgrundlage entziehen würden.

Generelle Beurteilung der Ergebnisse zur Art
Von den beiden untersuchten Wuchsorten der Hartmanns Segge zeigt der Wuchsort 1 seit der Jahrtausendwende eine dramatisch negative Entwicklungstendenz: Die Fläche ist durch Ruderalisierung und Eutrophierung erheblich gestört und beherbergt nur noch etwa ein Zehntel des damals festgestellten Bestands. Bei Fortwirken der Störungen ist mit dem Erlöschen des Bestands in mittelfristigen Zeiträumen (ca. zehn Jahre) zu rechnen.

Der südliche anscheinend erst in den 2000er-Jahren entdeckte Wuchsort befindet sich hingegen in einem günstigen Erhaltungszustand. Von ihm hängt das künftige Überleben der Hartmanns Segge im Norden des Ammer-Loisach-Hügellands ab.